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"Pflanzenbasierte Ernährungsformen – ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Kitaverpflegung“

Digitale Werkstatt für Kita-Träger -
Berliner Beitrag zum bundesweiten Tag der Kitaverpflegung 2022

"Pflanzenbasierte Ernährungsformen – ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Kitaverpflegung“
Vegetarische und/ oder vegane Kostformen als Gelingensfaktoren für eine gesundheitsfördernde, bedarfsdeckende und nachhaltige Ernährung?  Was ist für eine gesunde kindliche Entwicklung erforderlich - Ein Blick in die Praxis -


So lautete das vollständige Thema der Werkstatt im digitalen Format, zu der die Vernetzungsstelle am 02.06.2022 Vertreter*innen von Berliner Kita-Trägern und -Leitungen sowie Küchen-Leitungen im Landesprogramm für die gute gesunde Kita (LggK) eingeladen hatte und 20 Teilnehmer*innen begrüßen konnte.

Das Interesse für vegetarische und auch vegane Ernährungsweisen wächst stetig und wirft auch im Kita-Alltag bei der Gestaltung des Verpflegungsangebotes in unterschiedlichen Bereichen zunehmend Fragen auf. Um diese breitgefächert und umfassend zu diskutieren und zu beantworten, konnte die Vernetzungsstelle Experten aus Wissenschaft und Praxis als Gast-Referenten gewinnen. Neben Manuel Poschadel, Trainer der Kantine Zukunft Berlin, waren Tim Ritzheim, Doktorand am Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) sowie Johannes Reichmann, Masterand an der Justus-Liebig-Universität Gießen eingeladen.

Als Auftakt gab Referentin Ines Kretschmann, Diplom-Ernährungswissenschaftlerin und Mitarbeiterin der Vernetzungsstelle, in ihrem Impulsvortrag einen Einblick in die Vielfalt der Möglichkeiten pflanzenbasierter Ernährungsformen als Grundpfeiler einer nachhaltigen Ernährung sowie die Empfehlungen zur vegetarischen Ernährung in der Kita auf Basis des DGE-Qualitätsstandards. Der Begriff „pflanzenbasierte Ernährung“ wurde in den letzten Jahren neu geprägt und umfasst Ernährungsweisen, deren Hauptbestandteile rein pflanzlichen Ursprungs sind - darunter Gemüse, Obst, Nüsse, Samen, Öle, (Vollkorn-) Getreide und Hülsenfrüchte. Je nach Ernährungsform kommen Milchprodukte, Fisch, Meeresfrüchte und Eier hinzu.

"Pflanzenbasiert" muss nicht immer fleischlos bedeuten. Es gibt zahlreiche Konzepte, die keinen strikten Verzicht auf tierische Produkte fordern, sondern einfach einen anderen Schwerpunkt setzen.

So auch die im fachlichen Bezugsrahmen für die Vernetzungsstelle, der 6. Auflage des DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas, verankerte und neu entwickelte ovo-lakto-vegetarische Menülinie.

Den Zuhörer*innen wurden die Kriterien dieser Option erläutert. Sie geben Orientierung, wie sich ohne Fleisch, Fisch und Fleischwaren ein ausgewogener Speiseplan entwickeln lässt. Mit einer bewussten Zusammenstellung der Lebensmittelgruppen Gemüse und Obst, Vollkorn- und Milchprodukte, Hülsenfrüchte, ausgewählter Öle sowie Nüsse, Kerne und Ölsamen sind Nährstoffe wie Proteine, Omega-3-Fettsäuren und Jod kompensierbar. So ist eine gesundheitsförderliche Ernährung gut umzusetzen und mit den enthaltenen Empfehlungen und Tipps lässt sich ein entsprechendes Verpflegungsangebot ausgewogen und abwechslungsreich gestalten.

Eine digitale Umfrage bei den Teilnehmenden ergab, dass ein Großteil von ihnen den DGE-Standard kennt, allerdings nur wenige von ihnen bisher in der aktuellen, 6. Auflage.

Im Anschluss stellte Manuel Poschadel, Trainer der Kantine Zukunft, die „Berliner Methode“ vor, mit der Kitas auf dem Weg zu einer nachhaltigen Verpflegung durch das Format der „Kantinen-Werkstatt der Kantine Zukunft“ begleitet werden. Auch hier stehen unverarbeitete, pflanzliche Rohstoffe, möglichst in Bio Qualität, im Mittelpunkt. Grundlagen bilden unter anderem ebenfalls die Empfehlungen der DGE.

Ziel ist es, Prozesse anzustoßen, welche die Entwicklung eines modernen, zielgruppenorientierten Speiseangebotes ermöglichen. Dabei wird auf Fleisch weitgehend verzichtet, Wert auf Regionalität und Saisonalität gelegt. Lebensmittelabfälle werden vermieden und der Anteil ökologisch erzeugter Zutaten bei gleichem Budget deutlich erhöht. Ein weiteres zentrales Anliegen ist es, mit gutem Kochhandwerk einfache, schmackhafte Gerichte durch den Einsatz frischer, „echter“ Lebensmittel zu erzeugen. Beispiele aus der Praxis zeigten eindrücklich, welche Steigerungen vor Allem beim Bio-Anteil ohne Mehrkosten möglich sind.

Die Teilnehmer*innen tauschten sich zu derzeit bestehenden Verpflegungsangeboten ihrer Einrichtung/en aus und es zeichnete sich ein sehr heterogenes Bild ab. Von klassischer Mischkost bis hin zu „FITKID“ zertifizieren vegetarischen Angeboten nach DGE Standard inkl. des Zusatzzertifikates „nachhaltige Verpflegung“ finden sich diverse Angebote in den Berliner Kitas.

Der abschließende Teil der Veranstaltung widmete sich der Frage, ob auch mit einem veganen Speiseangebot in der Kita eine bedarfsdeckende Versorgung mit allen Nährstoffen gewährleistet werden kann. Verschiedene Teilnehmer*innen bestätigten, dass sie sich in der Praxis in ihren Einrichtungen zunehmend auch mit der Nachfrage nach einem solchen Angebot von Seiten der Eltern konfrontiert sehen. Kinder gelten bisher als Gruppe mit einem erhöhten Risiko für Nährstoffdefizite, besonders im Wachstums- und Entwicklungsprozess, weshalb eine vegane Ernährung nicht empfohlen wird.

Entgegen dieser derzeit geltenden nationalen Empfehlung der DGE offerieren aktuell wenige, einzelne Kindertagesstätten in Deutschland trotzdem ein veganes Speisenangebot. Tim Ritzheim und Johannes Reichmann erläuterten ihre Analyse  zweier „veganer“ Kitas und zeigten sowohl Vorteile und gleichzeitig auch die Risiken auf. Beide erarbeiteten nach der quantitativen Bestandsaufname Optimierungsvorschläge für die Einrichtungen aus München und Frankfurt a.M..

Außerdem erörterten sie mit den Teilnehmer*innen die Ergebnisse einer aktuellen Beobachtungsstudie in Deutschland, der VeChi-Youth-Studie. Diese zeigte nur leichte Differenzen in der Versorgung und dem Entwicklungsstatus zwischen omnivor, vegetarisch oder vegan ernährten Kindern auf. Kritisch wird von Seiten der DGE geäußert, dass diese Studie methodisch ggf. unzureichend ist und sich aus den Ergebnissen keine eindeutigen und allgemein gültigen Aussagen für Kinder und Jugendliche ableiten lassen. Die Datengrundlage zu dieser Fragestellung wird von der DGE weiter als unzureichend beurteilt.

Dies macht im Wesentlichen aber noch einmal deutlich, dass die gut geplante und ausgewogene Zusammenstellung eines Speiseplans essenziell im Rahmen jeder Ernährungsform ist, um nährstoffbedarfsdeckend zu sein. Festzuhalten ist jedoch, dass dies bei veganer Kost und den dort besonders kritischen Nährstoffen (Vitamin B12, Jod, Calcium, Vitamin D) nur durch Supplemente oder angereicherte Lebensmittel erreicht werden kann.

Dafür sind spezielle Kenntnisse bei den Verpflegungsverantwortlichen in der Kita notwendig. Insbesondere die Gabe von Supplementen ließe sich im Kita-Alltag nur schwer umsetzen. Dies wurde auch von Teilnehmenden kritisch diskutiert und abgelehnt. Hierfür müssen Eltern die Verantwortung übernehmen.

Zusammenfassend konnte festgestellt werden, dass sich die Gestaltung des Verpflegungsangebotes als andauernder Aushandlungsprozess zwischen den Kitas und Eltern darstellt, um den Wünschen einerseits und den Anforderungen an eine gesundheitsförderliche, bedarfsdeckende und nachhaltige Ernährung gerecht zu werden. Zeitgleich wurde signalisiert, dass es zu diversen angesprochenen Fragen seitens der Teilnehmer*innen Vertiefungsbedarf gibt, den die Vernetzungsstelle in der Planung weiterer Veranstaltungen berücksichtigen wird.

Hervorgehoben wurde von den Teilnehmenden besonders der interessante inhaltliche Teil, die gelungene Verknüpfung von Theorie und Praxis sowie die gute Vorbereitung.

Sabine Schulz-Greve (Projektleitung) bedankte sich für den angeregten (digitalen) Austausch.

 

Weitere Informationen:

Präsentation: "Empfehlungen zur vegetarischen Ernährung in der Kita auf Basis des DGE-Qualitätsstandards (6. Auflage, 1. korrigierter Nachdruck 2022) im Kontext der Nachhaltigkeit sowie der vorhandenen Unterstützungsmaterialien der DGE" (PDF 2,1 MB)
- Ines Kretschmann, Vernetzungsstelle Kita und Schulverpflegung Berlin e.V. -

Präsentation: "Berliner Methode - Wege zur nachhaltigen Kita-Verpflegung" ( PDF 2,3 MB)
- Manuel Poschadel Kantine Zukunft Berlin -

Präsentation: "Wenn die Kita vegan is(s)t - Chance oder Risiko?" - Analyse des Verpflegungsangebotes zwei veganer Kitas" (PDF 7,8 MB) 
- Tim Ritzheim, Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) und Johannes Reichmann, Universität Gießen -

DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas, 6. Auflage, 1. korrigierter Nachdruck, 2022 (PDF 4 MB)

Bio-Verpflegung in Kindertagesstätten und Schulen (PDF 1,8 MB)

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) - Nährstoffoptimierte Wochenspeisepläne für Kinder 

Planetary Health Diet: Speiseplan für eine gesunde und nachhaltige Ernährung

Vegetarian and Vegan Children and Youth Study (VeChi-Youth-Studie)

Planetary Health Diet und DGE-Ernährungsempfehlungen – 5 Fragen an die Ernährungswissenschaften

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